Pflichtteil: Schläge reichen für Entziehung nicht

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So traurig es auch ist: Aber jeder von uns wird irgendwann einmal sterben. Zum Glück weiß heute noch niemand, wann das bei ihm der Fall sein wird. Und  spätestens dann kommen die Erben ins Spiel. Wer seine Erben klug in einem Testament auswählt, kann Streit unter den Hinterbliebenen vermeiden. Wer aber einen gesetzlichen Erben übergeht, ihn also „enterbt“, der provoziert einen Konflikt um den Pflichtteil. Pflichtteilsberechtigt sind die direkten gesetzlichen Erben, also die Kinder des Erblassers, aber auch der Ehepartner oder die Eltern des Verstorbenen (§ 2303 BGB). Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.

Manche Eltern haben sich so mit ihrem Kindern überworfen, dass sie sogar deren Pflichtteil entziehen wollen. Und dann wird es schwierig: Um einem gesetzlichen Erben den Pflichtteil wirksam wegnehmen zu können, muss der Erblasser sowohl formal als auch inhaltlich hohe Hürden überwinden. Insbesondere kann eine körperliche Auseinandersetzung zwischen dem späteren Erblasser und seinem Kind nur dann zum Pflichtteilsentzug führen, wenn es sich um ein schweres Vergehen gegen den Erblasser gehandelt hat. Dazu hat das Landgericht Frankenthal in einem aktuellen Rechtsstreit interessante Details formuliert. 

Was ist passiert?

Die Eltern eines Mannes aus Frankenthal haben ihren Sohn bereits 1997 in einem notariellen Erbvertrag enterbt. Zusätzlich haben sie angeordnet, dass ihm auch der Pflichtteil entzogen werden soll. Als Begründung gaben sie an, dass der Sohn seine Mutter ein Jahr zuvor mehrfach geschlagen und sie hierbei eine Schädelprellung erlitten hätte. Der Sohn ist mit dieser Pflichtteilsentziehung nicht einverstanden. Nach dem Tode der Mutter klagt er deshalb gegen die von seinen Eltern als Erbin eingesetzte soziale Einrichtung.

Und das sagt das Landgericht Frankenthal zum Pflichtteil:

Die Klage hatte in vollem Umfang Erfolg. Die Richter des Landgerichts halten die Entziehung des Pflichtteils in dem Erbvertrag bereits aus formalen Gründen für unwirksam. In dem Erbvertrag hätten die Eltern das maßgebliche Fehlverhalten ihres Sohnes bereits eindeutig schildern müssen. Nur so kann verhindert werden, dass später weitere Gründe nachgeschoben werden. Die Eltern haben aber in ihrer letztwilligen Verfügung nicht aufgeschrieben, welche Hintergründe zu der Auseinandersetzung geführt haben. Auch die Folgen der Auseinandersetzung sind nicht ausreichend wiedergegeben. Die Richter konnten den Streit in dem Gerichtsverfahren nicht mehr aufklären. So bleibt es denkbar, dass die Körperverletzung die Folge eines spontanen Streits gewesen oder im Affekt geschehen ist. Da aber nur ein schweres Vergehen gegen den Erblasser zum Verlust des Pflichtteils führen kann, ist die Pflichtteilsentziehung hier nicht gerechtfertigt. Der mit dem Erbe bedachte Verein hat also ein Vergehen gegen die Mutter nicht ausreichend beweisen können.

Die Richter vermuteten darüber hinaus, dass der angebliche Vorfall aus dem Jahre 1996 nicht der Hauptgrund für die Pflichtteilentziehung gewesen ist. Der Lebenswandel ihres Sohnes scheint den Eltern nicht gepasst zu haben. Da der Pflichtteil in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils aber verfassungsrechtlich geschützt ist, kann der vermeintlich fehlerhafte Lebenswandel nicht den Entzug dieses Rechts begründen.

Die Entscheidung des Landgerichts ist rechtskräftig geworden.

Tipp: Natürlich kann jeder sein Testament selbst schreiben, wenn er die Regeln dafür peinlichst genau beachtet. Ansonsten gibt es schon Probleme mit der Wirksamkeit. Ratsam ist es aber, sich alle notwendigen Infos bei einem auf das Erbrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu holen oder gleich ein notarielles Testament zu errichten. Weitere Hinweise zu erbrechtlichen Fragen und hilfreiche Links sind auch auf meiner Seite zum Erbrecht zu finden.

Landgericht Frankenthal, Urteil vom 11.03.2021, 8 O 308/20

(Foto privat: Baum bei Nütschau)

 

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