Wann ist eine Patientenverfügung wirksam?

 In Aktuelle Urteile, Allgemein

Generalvollmacht und Patientenverfügung sind eine wichtige Absicherung für das Alter aber auch im Krankheitsfall. Die Dokumente müssen allerdings so formuliert sein, dass der Handlungsrahmen des Bevollmächtigten und der Wille des Betroffenen eindeutig bestimmbar sind. Das ist leider nicht immer der Fall. Haben die Betroffenen selbst entsprechende Dokumente aufgesetzt, stellen sich schnell einmal Fragen zur Geschäftsfähigkeit, der wirksamen eigenhändigen Unterschrift oder des tatsächlich gemeinten Willens. Dieser „juristische Selbstversuch“ kann katastrophale Folgen haben. Immer wieder müssen sich Gerichte zum Teil über Jahre mit solchen Zweifelsfragen beschäftigen. Der Sinn und Zweck von Patientenverfügungen, im Fall des Falles ein schnell handeln zu können, wird damit ad absurdum geführt.

So hat der Bundesgerichtshof erneut im November 2018 beschließen müssen, ob eine Patientenverfügung im Zusammenhang mit dem Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen den Anforderungen genügt.

Der Sachverhalt:

Die im Jahr 1940 geborene Betroffene wird seit Juni 2008 über eine Magensonde künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt. Sie befindet sich in einem wachkomatösen Zustand. Ein mit „Patientenverfügung“ betiteltes Schriftstück hatte sie bereits 1998 unterschrieben. Danach sollen „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“, wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht oder aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe.

Zwischen 1998 und ihrem eigenen Schlaganfall hatte die Betroffene mehrfach angesichts zweier Wachkoma-Patienten aus ihrem Umfeld geäußert, sie wolle nicht künstlich ernährt werden. Sie wolle nicht so am Leben erhalten werden und so daliegen, lieber sterbe sie. Sie hatte auch gesagt, dass sie durch eine Patientenverfügung vorgesorgt habe, das könne ihr nicht passieren. Im Juni 2008 konnte die Betroffene nur einmal nach ihrem Schlaganfall sprechen. Bei dieser Gelegenheit sagte sie ihrer Therapeutin: „Ich möchte sterben.“

Unter Vorlage der Patientenverfügung von 1998 regte der Sohn der Betroffenen im Jahr 2012 an, ihr einen Betreuer zu bestellen. Das Amtsgericht bestellte daraufhin den Sohn und den Ehemann der Betroffenen zu jeweils alleinvertretungsberechtigten Betreuern.

Der Sohn der Betroffenen ist ebenso wie der bis dahin behandelnde Arzt seit 2014 der Meinung, die künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr solle eingestellt werden. Dies entspreche dem in der Patientenverfügung niedergelegten Willen der Betroffenen. Ihr Ehemann lehnt dies ab.

Es wurde prozessiert mit unterschiedlichen Ergebnissen in den Instanzen (Amtsgericht, Landgericht, Bundesgerichtshof). Der BGH verwies den Streit zurück an das Landgericht. Dort wurde ein Sachverständigengutachten zum Gesundheitszustand eingeholt. Danach kam das Landgericht zu dem Ergebnis, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich ist. Aufgrund der dagegen gerichteten Rechtsbeschwerde des Ehemanns musste der BGH erneut entscheiden.

Das meint der BGH:

Eine betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB ist für den Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme nicht notwendig, wenn sich dieser Wille in einer wirksamen Patientenverfügung (§ 1901 a Abs. 1 BGB) wiederfindet. Die Formulierung in der Patientenverfügung muss auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. In einem solchen Fall ist dann eine Einwilligung des Betreuers, die der betreuungsgerichtlichen Genehmigung bedarf, nicht mehr erforderlich.

Hat eine der beteiligten Personen aber Zweifel an der Bindungswirkung einer Patientenverfügung, kann sie das Gericht um Prüfung bitten. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, es gibt eine wirksame Patientenverfügung, die auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutrifft, erstellt es ein Negativattest. Dieses Attest hat nur zum Inhalt, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich ist.

Die Frage ist also, wann liegt die Bindungswirkung vor. Nach der Rechtsprechung des BGH ist dies der Fall, wenn sich aus der Verfügung entnehmen lässt, in welcher Behandlungssituation welche ärztlichen Maßnahmen durchgeführt werden bzw. unterbleiben sollen. Der Betroffene muss also umschreibend festlegen, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Allgemeine Anweisungen wie zum Beispiel, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist, reichen nicht aus. Die allgemeine Anweisung „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ ist für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung. In solchen Fällen ist die Frage, ob eine hinreichend konkrete Patientenverfügung vorliegt, oft nur durch Auslegung der in der Patientenverfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln.

Die Entscheidung

Im vorliegenden Fall kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass in der Patientenverfügung hinreichend konkret eine Lebens- und Behandlungssituation beschrieben ist. Die Ermittlungen das Landgerichts haben ergeben, dass diese Lebens- und Behandlungssituation auch vorliegt. Bei der Betroffenen besteht keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins. Ihre Patientenverfügung beinhaltet auch eine Einwilligung in den Abbruch bereits eingeleiteter lebenserhaltender Maßnahmen. Zeugen haben bestätigt, dass die Betroffene vor ihrer eigenen Erkrankung mehrfach bestätigt hatte, dass sie nicht künstlich ernährt werden wolle. Auch dem wird durch die Gerichte eine besondere Bedeutung beigemessen.

Weil die Betroffene für ihre gegenwärtige Lebenssituation eine wirksame Patientenverfügung erstellt hatte, ist diese bindend: Die Gerichte sind damit nicht zur Genehmigung des Abbruchs der lebenserhaltenden Maßnahmen berufen, sondern haben die eigene Entscheidung der Betroffenen zu akzeptieren. Sie müssen ein Negativattest erteilen.

Praxis-Tipp:

Die dringende Empfehlung kann daher nur lauten, sowohl die General- und Vorsorgevollmacht als auch die Patientenverfügung notariell zu errichten. Natürlich sind damit Gebühren verbunden, die sich aber im Rahmen halten, wie Beispielberechnungen zum Beispiel von der Bundesnotarkammer zeigen. Eine Patientenverfügung kostet isoliert gerade einmal ca. 75,00 €. Dafür erhält man aber die Sicherheit, dass die Verfügungen wirksam und registriert sind. Weitere Informationen erhalten Sie auf den Seiten des Zentralen Vorsorgeregisters und natürlich bei mir.

BGH, Beschluss vom 14.11.2018, XII ZB 107/18

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